fragt mich vor Kurzem ein Mann im Bus, belegte Stimme. Wenn Menschen mit belegter Stimme zu mir sprechen, dann muss ich
mich immer selber reuspern, so, als ob deren Worte durch meine Ohren auf meine Stimmbänder sickern würden. Ein seltsames Gefühl, aber ich kann nicht anders.
„Ja ich? Also…“
– ein Reuspern –
„…He Ehm! Och jooo, so dies und das. Bin mal hier und dann wieder da.“
versuche ich mich raus zu reden.
„Naja, aber irgendetwas MÜSSEN Sie doch tun! Oder haben Sie momentan keine Arbeit?“
er stutzt. So wär das ja auch wieder nicht, will ich beschwichtigen. Aus wichtigen Gründen hätte ich Hals über Kopf das Land verlassen müssen. Momentan würde ich mich unter einem Pseudonym hier in Südspanien aufhalten und sowieso müsse ich da zur Zeit einfach etwas vorsichtig sein.
Manchmal wundert man sich, was man so einem wildfremden Menschen auf einer dreistündigen Busfahrt alles erzählt. Er läßt nicht locker.
„Gut, verstanden. Ist es ein Regierungsauftrag, den Sie mir jetzt“
und dabei hebt er seine Augenbrauen mit verschwöhrerischer Geste
„den Sie mir jetzt nicht verraten dürfen?“
Seine Freude mal endlich nem echten Agenten nicht nur gegenüber zu sitzen, sondern ihm auch eine Kastanie ans Knie zu texten, ist unübersehbar. Wie er da sitzt und erwartungsvoll ins Gegenlicht zu mir rüber blinzelt.
Und dann passiert es.
Völlig unverhofft und wie aus dem Nichts legt sich ein dunkler, dichter Nebel um meine Erinnerung.
Ich wollte ihm eigentlich jetzt sagen, was ich genau Tag aus – Tag ein unternehme, um meinen Lebensunterhalt zu verdiehnen. Aber jetzt ist da nichts – Stille – ein tiefes Brummen in den Ohren – mein Hirn dem Wesen nach das einer Languste. Und dann die erschreckende Erkenntniss, dass ich eigentlich, wenn ich es mir mal wirklich ganz genau überlege, dass ich nicht weiss, was ich jeden Tag von 9 bis 19 Uhr eigentlich unternehme. Jeder kennt seinen Beruf. Aber was MACHEN wir da eigentlich täglich? Wem nützt das? Könnten wir wirklich guten Gewissens unseren Job rechtfertigen?
Ich weiss, dass ich da jeden Tag hingehe, aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wo diese Arbeit im gesamten Kontext dann später eingefügt wird. Der Mann steigt aus dem Bus, muss wohl seine Station sein. Dann aber dreht er sich noch einmal zu mir herum und ich erkenne gerade noch sein unverwechselbares Lächeln. Warum hatte ich das nicht vorhin schon erkannt. Älterer Mann, geduldig, offen, Seelenschwamm. Ich hatte das Gefühl, ihm enfach so alles in völligem Vertrauen erzählen zu können.
Patourie!
Ich will noch etwas sagen, ihn etwas fragen, aber die Türe schnellt zu und ich verlier ihn aus den Augen. Was für ein gerissener Bursche, dieser Patouri. Aber warum jetzt? Und was will dieser Kerl eigentlich von mir?